Der ursprüngliche Sinn des Geläuts, Menschen während der dunklen Jahreszeit heimzuleiten bzw. zu retten, ist heute dem tieferen christlichen Sinn gewichen, den Sieg des Lichts über das Dunkel bzw. des Guten über das Böse zu verkünden. Und gerade dieser Sinn gibt den gesamte Charakter des Geläutes wieder.
Die Eigenart des Geläuts liegt darin, dass alle sechs Teile verschiedene Themen behandeln und einen eigenständigen Charakter aufweisen, aber immer wieder zu einer Harmonie des Dreiklangs führen.
Der 1. Teil :
Der erste Teil beginnt sehr ruhig in einem feinen Piano einzelner, zeitlich getrennter Schläge, in langsamem Tempo. Zur Mitte nimmt er langsam an Lautstärke und Tempo zu, und er endet in einem gewaltigen Wirbel. Die Wirkung dieses Geläut-Teils liegt im streng symetrischen Rhythmus und der Exaktheit der Glocken-Anschläge, beides gibt diesem Abschnitt ene große Ruhe.
Die Glocken werden im Stand per Trittbretter und Strick angeschlagen.
Der 2. Teil :
Der zweite Teil wird auch `Bußgeläut' genannt. Die Glöckner lösen die linke Glocke, diese mittelgroße Glocke schwingend frei, läutet also voll, und die große tiefetönige Glocke und die kleine hochtönige Seitenglocke rechts werde in sehr verschiedenen Rhythmen vom Glöckner abwechselnd dazu per Trittbrett und Seil angeschlagen. In diesem sehr melodischen Teil liegt die Besonderheit darin, dass die verschiedenen Glocken immer nur jeweils einzeln, aber in sehr schneller Reihenfolge nacheinander angeschlagen werden. Hierzu gehört Geschick, denn die Anschläge dürfen nie zusammenfallen.
Der 3. Teil :
Im dritten Teil erfolgt das stimmungsvolle "Beiern"-Geläut, das ruhig beginnt, mit Möglichkeiten der Variation für den Glöckner, und zum Abschluss in einem kurzen aber mächtigen Glockenwirbel endet, in welchem der Sieg des Lichtes und damit des Guten über die Finsternis und das Böse verkündet wird.
Die kleine Glocke seitlich schwingt frei, die große und die mittlere Glocke stehen fest und werden über Strick und Trittbrett angeschlagen.
Der 4. Teil :
Im vierten Teil erklingen die Glocken in einem fröhlichen Miteinander: Die kleine Seitenglocke wird freischwingend voll durchgeläutet. Der Glöckner darf sich einem vorgegebenen Grundrhythmus mit den beiden anderen Glocken dazu entfalten, die per Hand und Fuß angeschlagen werden. Dieser Teil ist verhältnismäßig schwierig, denn die kleine Glocke schwingt leider nicht ganz gleichmäßig, der Glöckner benötigt Geschick und Erfahrung, um mit rhythmischen Schlägen einen melodiösen Dreiklang zu erzielen.
Der 5. Teil :
Im fünften Teil verkündet ein kurzen Beier-Geläut, endend in einem alle Glocken umfassenden Glocken-Wirbel (Siegeswirbel), noch einmal den endgültigen Sieg des Lichtes verkündend.
Die drei Glocken schwingen nicht, werden per Seil und Trittbretter angeschlagen.
"Gleichmäßig wie ein Wiegenlied" soll dieser Teil der Überlieferung nach sein.
Dieser Teil existiert nicht in Notenschrift, es wird rein nach Gehör gelernt, es wurde über Jahrhunderte so weitergegeben.
Der 6. Teil :
Nur in der Weihnachtsnacht des 1. Weihnachtstages vor der Uchte, dem früh-morgendlichen Gottesdienst, und zum Jahreswechsel am 31.12. geht das Beier-Geläut des fünften Teils fast nahtlos in das Sterbegeläut über. Die Glöckner nennen dieses Sterbegeläut den sechsten Teil des Nachtsang-Geläuts.
Der Sinn dieses Totengeläuts, dass nur mit der großen dunklen Glocke beginnt und bei dem erst nach und nach die beiden kleineren Glocken hinein angeschlagen werden, ist kirchlichen Ursprungs: Die Kirche nennt den 24. Dezember "Adam und Eva", weil der neue `Adam´ Jesus Christus zur Erlösung des alten Adams geboren ist, und so der alte Adam zu Grabe getragen wird.
Das Sterbegeläut endet mit einem gewaltigen Triller der beiden kleineren Glocken zur freischwingenden großen Glocke. Der Glöckner muss sich ganz klein machen, kann nur mit den zwei Fußpedalen die beiden seitlichen Glocken bedienen. Dieser Teil ist körperlich absolut anstrengend, musikalisch äußerst eindrucksvoll.
Hierzu ist ein Zitat von Pastor Köker überliefert: " Der das Sterbegeläut der großen freischwingenden Glocke überlagernde Triller der zwei kleinen Glocken soll deutlich machen, dass mit der Christgeburt der neue Mensch geboren ist."
Nach dem Sterbegeläut beginnt die Uchte unten in der Martin-Luther-Kirche.
Das Nachtsang-Geläut wird abgeschlossen mit einem Festgeläut ("Volles Geläut"), welches jedem Zuhörer ein Empfinden der Freude und Dankbarkeit vermittelt.
Alle drei Glocken schwingen frei.
Zwischen den einzelnen Teilen des Nachtsang-Geläuts gibt es kurze Umbau-Pausen, und auch der Glöckner benötigt ein paar Minuten der Ruhe - auch bei starken Minusgraden und schneidendem Wind im Glockenturm.
Sind zwei Glöckner anwesend, kann man sich abwechseln und die Pausen zwischen den Teilen verkürzen.
Die `Noten´ vom Glöckner Klaus Nordmann, selbst aufgezeichnet ca. 1967, um den längsten ersten Teil des Nachtsang-Geläuts zuhause zu trainieren:
Diese Original-Papptafeln im Din A3-Format sind noch immer wohlbehütet im Besitz der Familie.